• DONAU | Ulmer Schachtel (Flüchtlingsboot)
    Ausschnitt aus historischem Stich: Anlegestelle der Ulmer Schachteln bei Pesth (Budapest)


    Ulmer Schachtel
    heißt ein seit dem 16. Jhd. gebauter Einweg-Bootstyp zur Waren-, Passagier- und Truppenbeförderung donauabwärts, mit denen viele Deutsche nach Rumänien übersiedelten. Es sind größere Exemplare der seit dem 15. Jhd. bekannten Zillen, flachbodiger Boote mit spitz zulaufenden Rumpfenden.


    Name

    Ursprünglich „Wiener Zillen“ genannt, da sie vorwiegend nach Wien fuhren, wurden sie wegen ihrer einfachen Konstruktion vor allem im Württembergischen wo man elegantere Neckar-Schiffe gewohnt war, als „Ulmer Schachteln“ verspottet (u. a. im Stuttgarter Landtag),.
    Entwicklung

    Die früheste Erwähnung einer Zille findet sich 1488 beim Dominikaner-Mönch Felix Fabri. Zillen waren vom Mittelalter bis in die Neuzeit der klassische Arbeits- und Transportboot-Typ des Donauraumes.

    In Ulm werden zunächst kleinere Zillen, etwa für die Fischerei, gebaut. Zum Warentransport flussabwärts verwendet man Flöße. Die benötigen bei gleicher Nutzlast allerdings deutlich mehr Holz, weil ihnen ein Hohlraum fehlt und so nur die Baumstämme selbst für Auftrieb sorgen.

    Als das Holz im 16. Jhd. wegen des großen Verbrauchs beim Floßbau knapp wird, wirbt man Schiffsbaumeister aus dem bayerischen Donaugebiet an, sogenannte Schopper. Ab 1570 bauen und betreiben sie – alsbald als eigene Zunft (zu der auch die Vorfahren der heutigen Autobauer Kässbohrer gehören) – größere Transport-Zillen zum Warentransport donauabwärts. Diese Großzillen werden ursprünglich nach ihrem Zielort „Wiener Zillen“ oder im Regelverkehr „ordinari Wiener Schiff“ und schließlich – zunächst spöttisch und dann alltäglich – „Ulmer Schachteln“ genannt. Die verspottete simple Konstruktion is allerdings sehr wirtschaftlich. Sie werden nach der einmaligen Fahrt flussabwärts vom „Plättenschinder“ zerlegt und als Nutz- oder Brennholz verkauft.


    Konstruktion

    Der flache Boden erlaubt den Einsatz auch bei Niedrig- und im flachen Wasser sowie das einfache Anlanden an Sandstränden. Anfangs bis zu 26 m lang und 4 m breit und erreichen Ende des 19. Jhd. bis zu 30 m Länge und 7,5 m Breite mit einer Bordwandhöhe von etwa 1,5 m. Die Steuerung der Boote erfolgt mit je zwei Stangen bzw. Ruderblättern an Bug und Heck. Baumaterial ist Nadelholz, vorwiegend Lärche und Fichte.
    Zum Schutz von Personen und Waren erhalten die Boote mittschiffs eine größerer Holzhütte. Die hat in der Regel zwei Räume: Einen beheizten für zahlungskräftige Passagiere und einen für Waren und das „gemeine Volk“. Ein auffälliges Streifen-Muster aus schwarzer Teerfarbe im Kontrast zum hellen Nadelholz macht die Boote gut sichtbar und damit sicherer.

    Einsatz
    Die Boote fahren lange von Ulm als „Ordinarischiffe“ im wöchentlichen Waren- und Personenverkehr nach Regensburg, Passau, Linz, Wien, Budapest oder Belgrad. Die Reisedauer Ulm–Wien (670 km) beträgt je nach Wasserstand 8‑14 Tage. An Bord sind dabei etwa 40 Passagiere, bei Auswanderer- oder Truppentransporten 100–150. Neben den „Ordinari-" fuhren „Extra-Schiffe", als Fracht- oder Herrschafts-Schiffe, die Vermögende 100–200 Gulden ( 100 Tickets).

    Im 17./18. Jhd. gelangen deutsche Migranten auf Ulmer Schachteln in nun von Österreich bzw. den Habsburgern beherrschte Regionen Südosteuropas. Sie werden im Banat (heute Rumänien), Ungarn und Serbien zu Donauschwaben, am Schwarzen Meer zu Bessarabien- Dobrudscha- und Schwarzmeerdeutschen.
    Im Herbst 1745 nutzen Kaiser Franz I. und Gattin Maria Theresia nach ihrer Frankfurter Krönung für die Rückreise nach Wien streckenweise 34 Boote, die Ulmer Schopper in nur 3 Wochen gebaut hatten.

    Vor der Dampfmaschine wird der Schiffsverkehr donauaufwärts nie sehr bedeutend, da Schiffszüge 10–12 Zugpferde brauchen. Doch auch donauabwärts verlagerte sich der Verkehr auf die Schiene und so fuhr 1897 die letzte Zille von Ulm nach Wien.


    Aktuelle Verwendung

    Heute sind die schwarz-weiß gestreiften Botte längst zu einem Ulmer Symbol geworden und der einst despektierlicher Name wird mit Stolz verwendet. Sie werden auch immer noch gebaut: Selten große, sondern meist kleinere von 6–12 m Länge. Als Arbeits-, Fischer- oder Freizeitboot. Besonders bei Hochwasser-Einsätzen erweisen die robusten Flachboden-Boote gute Dienste.

    Auch Ulms Wasserumzug „Nabada“ wird mit Zillen bestritten. Und fünf reisetaugliche fahren Touristen von Ulm nach Wien und teils weiter.



    Weiterführende Links:
    > Wikipedia-Artikel | https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_Schachtel
    >
    Stadt Ulm | https://ulm.de/tourismus/stadtgeschichte/markenzeichen/ulmer-schachtel
    >
    Betreiber-Verein | https://www.ulma-ulm.de